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wolfgang-pilz

Mit seinen neuen Arbeiten für die 70.Internationale  Bergische Kunstausstellung erprobt der Maler,Zeichner und Grafiker Wolfgang Pilz erneut hybride Techniken und Ausdrucksformen der Grafik.In seinen meist großformatigen Stücken setzt er Linoldrucke auf Leinwand, erprobt Prägedrucke auf Depron,ein Dämm-und Modellbaumaterial, oder nutzt unter- schiedlichste Papiertexturen für mehrteilige Holzschnitt-Kompositionen.
  
In diesen ungerahmt und frei von der Wand hängen- den bedruckten Polyesterfolien kontrastiert er die aus verschiedenen Druckplatten stammenden Strukturen Rasterungen mit der transparenten Flächigkeit und Glätte des Materials.So entsteht illusionistische Räum- lichkeit nicht nur durch formale Komposition, sondern ebenso durch doppelseitige Bedrückung und Einbezug des realen Umraums und veränderter Lichtsituationen. 
 
Anders als in Arbeiten mit klarer Grundrasterung und übergeordnetem Ordnungssystemen folgt Pilz in dieser Serie einem sukzessiven und intuitiven Kompositions- prozess.In den Unikaten re-kombiniert er ein lang net- wickeltes abstraktes Formenvokabular,das eine Fülle von Anspielungen und kunsthistorischen Stilreferenzen eröffnet.Als „museum in progress“ subsumiert der Künstler seine Arbeiten und bezieht sich damit nicht zuletzt auf die eigenen zahlreichen selektierten Ein- drücke und Erinnerungen von Museums- und Aus- stellungsbesuchen. Dabei werden unterschiedlichste Segmente, gesammelt, und oft auch am Rechner vor- konfiguriert, dann aber in freier „handwerklicher“ Übersetzung ausgeführt. In diesen Arbeiten stand vor allem die Begegnung mit zwei Werken Pate: die Glasfenster und Lichteindrücke im Mailänder Dom und das Gemälde „Frau vor dem Spiegel“ Von Pablo Picasso aus dem Jahr 1937 (Kunst- sammlung NRW,Düsseldorf). Ein Vergleich mit den Werken zeigt schnell, dass es Pilz nicht um direkte Zitate oder Referenzen geht,sondern vielmehr um eine in der Zeit und Erinnerung nachwirkende und höchst freie Auf- arbeitung.  

Immer wieder hat Pilz das graphische Blatt in andere Kontexte und thematische Bezugssysteme überführt, Bilder in Bilder gesetzt, mit Textfragmenten Bildkom- positionen zu Cover,Flaggen oder Gebrauchsgraphiken verwandelt.Die Idee eines graphischen Raumteilers beziehungsweise eines graphischen Blattes als Fenster wird in diesen Arbeiten auch haptisch spürbar: Die Graphik wird Objekt.
 
Sabine Maria Schmidt

 

Ein Museum unserer Tage
Zu den experimentellen Drucken von Wolfgang Pilz

Eine kalte, metallische Farbigkeit dominiert die neuen Bilder von Wolfgang
Pilz, der beim Wettbewerb um den Grafikpreis Linolschnitt heute kein Unbe-
kannter ist.Verstärkt wird dieser Eindruck durch ihre technisch, dynamisch
oder gar aggressiv wirkenden splitterartigen Strukturen.Hinzu kommen der
ungewöhnliche Bildträger - Leinwand - in einer, zumal für Druckgrafik monu-
mentalen, Wand füllenden Größe, die zuerst gar nicht an Linolschnitte
denken lässt.Schnell bleibt das Auge an durch die Bilder schwirrenden
Worten hängen: „ Web Sampler “, „ City Square “ , „ Liquid Reality “, „Factory“.
Wie ein Nachhall im Kopf des Betrachters stoßen sie über das Gesehene
hinaus Assoziationen an.Auch kunsthistorische Anspielungen fehlen nicht,
wenn mit Un chien andalou der Titel des zentralen Kinofilms des Surrealismus
von Luis Bunuel und Salvador Dali wie eine Leuchtreklame im Stadtraum auf-
scheint. Dieser mit prägnanten Bildern arbeitende Film steht im krassen Gegen-
satz zu der abstrakten Formwelt des Bildes , auf dem sein Titel erscheint.
Deren Formen lassen an Stadtraum, sich überschneidende Perspektiven,
Reflexe wie von Überlagerungen in Glasfassaden denken.Sie lösen die
linearen, teils von Farbflächen durchdrungenen Strukturen der Bilder auf,
ohne dass begehbare Räume vorgespiegelt würden. Auf dieser Ebene ent-
stehen die Illusionen ebenfalls erst im Kopf des Betrachters.

Die Drucke von Wolfgang Pilz sind vielschichtig im wahrsten Sinne des Wortes,
und sie befolgen nicht orthodox die Regeln der Technik.Schon lange arbeitet
er mit großen Formaten. Ungewöhnlich ist dabei die Vorliebe des Künstlers für
lose, nicht aufgezogene Leinwände als Bildträger seiner Druckgrafik.Im Falle
der jüngsten Beispiele kommen collagierte Stücke und Bahnen zerschnittener
Bilder hinzu, wobei schwer zu sagen ist, ob es sich um Fundstücke oder um
Fragmente eigener Bilder handelt.Manche Flächen sind sogar mit Schablonen
auf das Bild gesprüht, eine Technik, die zwar heute gern wieder im Straßen-
graffiti angewendet wird, die aber in der Druckgrafik doch ungewöhnlich ist.
Der Künstler beginnt die beginnt die Arbeit auf der ungrundierten Leinwand
mit Transferdrucken im Verfahren der Nitrofrottage.Der Linoldruck erfolgt dann
in einer Art Stempelverfahren auf der am Boden liegenden Leinwand.Dadurch
besteht die Möglichkeit, die einzelne Platten in unterschiedlichen Bildern zu
kombinieren. Insgesamt erweitert Wolfgang Pilz also die Druckgrafik ex-
perimentell und kombiniert die Verfahren unkonventionell.

Nicht nur die vergleichsweise riesige Formate der Bilder, sondern auch der
mal transparent-brüchige mal intensive Einsatz der Farbe, lassen die in
jüngerer Zeit entstandenen großformatigen Unikate auf den ersten Blick
eher wie Malerei erscheinen.Im Übereinanderschichten von Bildebenen
sind die Bilder jedoch dem Medium der Grafik am nächsten, in der die
unterschiedlichen Farbplatten nach-und übereinander gedruckt werden.
Dieses Verfahren korreliert mit den Inhalten, die an die Schichten eines
Palimpsests -einer mehrfach überschriebenen Manuskriptseite- oder an
Haus-und Plakatwände erinnern, an denen tiefer liegende Schichten
durchscheinen und wieder zu Tage treten.Verstärkt wird dieser Eindruck
durch die in die Flächen integrierten Textelemente, die ebenfalls wie
Reste anderer Bilder wirken.Dabei taucht der schillernde Begriff des
„Samplers“ auf, der für Sammlung, Kompilation sowie eine Technik zur
Wiederverwendung von Tönen steht und mit dem das Verfahren des
Bildersammelns, wie Wolfgang Pilz es betreibt, zutreffend beschrieben
wird. Er ist der VJ, der Visual Jockey ,der aus Vorhandenem, Gefun-
denem und selbst Gemachtem seine eigenen Bilder entstehen lässt.
Parallel zu den Großformaten arbeitet er mit Bildüberlagerungen, die
er am Computer herstellt. In den daraus entstehenden Drucken auf
Papier ist die Herkunft der einzelnen Elemente aus der uns selbst-
verständlich umgebenden digitalen Bilderwelt noch deutlicher als in
den Linolschnitten.Den Umgang mit dieser technisch geprägten
Bildwelt sowie die Erfahrung und Möglichkeiten einer Form von
„ Computergrafik“ transferiert der Künstler in seine Bilder.

Die Verwandtschaft der in diesen großen Leinwände verwendeten
Formen mit am Computer generierten oder digital bearbeiteten
Bildern zeigt, dass die Drucke von Wolfgang Pilz erst heute so ent-
stehen konnten.Sein paralleles Arbeiten im traditionellen Hochdruck
und mit zeitgenössischen bildgebenden Verfahren sowie sein un-
orthodoxer Umgang mit der Drucktechnik gewinnt dem traditionellen
Medium Linolschnitt eine neue Facette ab.Dass zugleich-auf der in-
haltlichen Ebene der Bilder-mit der Durchdringung von räumlichen
Strukturen und Schriften sowie dem Prinzip der Überlagerung eine
Art Schallraum entsteht, in dem unseren Assoziationen und unserer
Erfahrung der aktuellen Welt Platz eingeräumt wird, intensiviert
die Resonanz von Zeitgenossenschaft, die diese Bilder ausstrahlen.
Doch der Künstler setzt seine hier gezeigten Bilder in den Zusammen-
hang einer seit längerem entstehenden Serie mit dem Obertitel
museum in progress, der uns darauf hinweist ,dass die Kunstgeschichte
- bewahrt in den Museen und vom Künstler erinnert-ebenfalls in ihnen
nachhallt .Denn sind nicht etwa mit „ Factory“ die legendäre Manufaktur
von Andy Warhol oder mit „Flag“ die Ikone der Pop Art von Jasper
Johns aufgerufen? Im "Kunsthistorischen Museum“ wird mit einem
Mal alles zur „Liquid reality“

Bietigheim Bissingen, Linolschnitt heute IX
Andreas Strobl.

Klasse A.R. Penck
Kunstakademie Düsseldorf

ISBN: 978-3-86206-898-2
www.verlag-kettler.de


Flugblätter/Flying Letters 2017-2019
Ein Projekt von Birgitt Jensen
ISBN 978-3-00-062047-8